Unsere Gedanken über die Welt, in die unser Sohn hineinwächst

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Diesmal gibt es einen etwas anderen Artikel, einen Einblick in meine Gedanken. Es ist ein nachdenklicher Beitrag geworden und vielleicht regt er auch den einen oder anderen von euch zum Nachdenken an.

Seit fast vier Wochen sind wir in München auf Heimatbesuch und Arbeitsurlaub, wie ich es gerne nenne. Denn obwohl wir uns natürlich sehr freuen unsere Familien wieder fast täglich zu sehen und mit ihnen Zeit zu verbringen, sind wir eben auch hier, um zu arbeiten. Das dies nicht mit einer 40 Wochenstunde einhergeht, ist naheliegend. Ein ziemlicher Kontrast zu unserem sehr entspannten Leben die anderen 9 Monate des Jahres. Wir arbeiten in Thailand zwar auch viele Stunden jeden Tag, aber mit freier Zeiteinteilung ist das einfach etwas anderes als mit festen Ladenöffnungszeiten im Laden meines Vaters und Rikschabuchungen.

Die Umstellung ist riesig – und die Müdigkeit immer präsent

Das bedeutet für uns Erwachsene eine Veränderung, wenig Zeit bleibt für Sport, Freunde und Freizeitaktivitäten, vor allem aber für unseren Sohn ist dies eine große Veränderung. Denn was uns motiviert, der Gedanke “Es sind ja nur 3 Monate”, ist eine kleine Ewigkeit für einen 4-jährigen. Wir sind uns dessen bewusst und planen jeden Tag sehr genau, so dass wir in Schichten arbeiten und die meiste Zeit des Tages doch einer von uns wie gewohnt mit Liam zusammen ist.

Das funktioniert, dank unserer Art von Arbeit und der Unterstützung unserer Familien. Bedeutet aber natürlich auch, dass wir Eltern oft einen müden Punkt überwinden müssen, ihm zuliebe. Morgens ist Chris oft ab 4 Uhr in der Großmarkthalle, abends komme ich erst um 19 Uhr nach Hause. Und dazwischen gibt es kaum Ruhephasen.

Immer muss alles schnell gehen, Stress lässt sich schwer vermeiden

Das Hineinspringen in diesen hektischen, schnellen und stressigen Alltag fällt uns sichtlich schwerer dieses Mal. Da wir unsere Wohnung letzten November aufgaben und zur Untermiete bei Chris’ Eltern wohnen, ist es nun erstmals anders als bisher. Wir merken einfach an vielen kleinen Dingen, dass dies nur eine Art von Besuch ist. Vermutlich ist dieses Gefühl auch dafür verantwortlich, dass wir uns so schwer wie noch nie hier einfügen.

Dieses schnelle Leben, die vielen Termine, das Funktionieren müssen und permanent Kompromisse eingehen empfinde ich als wahnsinnig anstrengend. Keiner von uns dreien kommt voll auf seine Kosten, wir schaffen nur einen Mittelweg, bei dem jeder einen Teil seiner Wünsche hintenanstellen muss. Ein Drittel unserer Zeit ist schon um, gefühlt haben wir noch nichts von dem erledigt, was erledigt werden muss, wenig unternommen und noch weniger Freunde gesehen. Trotzdem ist jeder Tag irre voll gepackt und vergeht wahnsinnig schnell.

Jetzt liegt es nahe zu sagen: “Hey selber schuld, wenn ihr so ein Leben führt” – und ja, das ist richtig, aber was mich bewegt ist, für wieviele Menschen ist dies der ganz normale Alltag. Wieviele Familien jonglieren jeden Tag auf diese Art aus den verschiedensten Gründen. Ich möchte auch gar nicht urteilen, aber wundere mich darüber. Wie macht ihr das denn? Wie schafft ihr das? Warum müsst ihr das? Müsst ihr es wirklich oder wollt ihr es? Ist es der Stress der euch hochhält, abhält vom Nachdenken über den Sinn oder Unsinn solch eines Lebens? Oder gefällt es euch wirklich? Habt ihr euch denn euer Leben so vorgestellt als ihr Anfang 20 wart und an die Zukunft gedacht habt. An diejenigen, die alles Materielle erreicht haben, dass sie sich erhofft haben, ist es den Preis den ihr dafür bezahlt denn wert? Seid ihr glücklich? Sind es eure Partner, eure Kinder?

Wir sind raus – und wissen das schon seit Langem

Mein Punkt ist, ich weiß einmal mehr, das ist einfach nicht unseres. So gesehen ist es positiv, ein Realitätscheck. Wir schaffen das hier nicht mehr, der Preis sich wieder anzupassen an das Tempo hier, ist mir zu hoch. Ich kann es dieses eine mal noch, will es aber in Zukunft nicht mehr, weil ich ganz deutlich merke wie es uns alle innerlich stresst. Nicht sichtbar auf den ersten Blick, aber es ist da, das nagende Gefühl das einem etwas einfach nicht gut tut und es besser wäre, es ganz sein zu lassen. Ich will es nicht mehr, ich will mehr Zeit für mich und meine Familie, mehr innere Ruhe und langsam im Leben entlang schlendern können.

Sprint Momente kommen überall immer wieder, und wir hatten gerade dieses Jahr in Thailand viele davon, aber ein Leben im Dauerlauf, das ist nicht meins.

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Denn welches Ziel gibt es eigentlich zu erreichen? Kennt ihr es? Mein Ziel in diesem Leben könnte für mich folgendermaßen lauten: möglichst jeden Tag genießen können, im Jetzt leben und sich auch über kleine Dinge freuen können. Viel Zeit mit Familie und Freunden verbringen und mein Kind beim Großwerden begleiten. Ihm helfen ein toleranter und offener Mensch zu sein der für sich und andere einsteht, weiß was er will und wie er seine Wünsche wahr werden lassen kann. Diese Ziele teilen bestimmt viele von euch und doch scheint es mir so schwer dies in unserer Zeit umzusetzen.

Wir haben seit langem ein Problem mit “Wachstum” als ultimativem Maßstab zum Messen von Erfolg. Ein schönes Buch zu dem Thema hört auf den Titel “Buen Vivir: Vom Recht auf ein gutes Leben*” von Alberto Acosta – sehr lesenswert!

Für uns ist der Weg dorthin ein Leben in verschiedenen Ländern, mal auf reisen und mal an festen Orten wie in Pai. Die Familie als Mittelpunkt, als schützender und Halt gebender Hafen. Erst nach und nach andere Einflüsse hereinlassen, vor vielem bewahren aber auch so vieles schon erleben und erklären. Das große Ganze im Blick behalten.

Die Blase der Sicherheit zeigt Löcher

Seit einigen Tagen macht mir auch das Wort Sicherheit mehr und mehr sorgen. Ich bin in München geboren und aufgewachsen, einer der sichersten Städte auf der Welt. Meine Handtasche ist nie bewusst geschlossen, ich musste nie Angst haben auf meinem nächtlichen Heimweg und bei Krankheit ist eine gute und schnelle Versorgung gesichert. Es gibt keine lästigen Spinnen, Schlangen oder andere gefährliche Tiere.

Vieles davon wird auch weiterhin so bleiben, allerdings ist mein Grundgefühl nicht erst seit dem Vorfall hier in München vor einer Woche, ein anderes. Chris war zwei Stunden vor der Tragödie am Stachus mit Liam, im Spielzeugladen. Sie hätten genauso gut im OEZ sein können, wir wohnen genau in der Mitte zwischen City und OEZ. Das lässt einen nicht kalt.

Ich bin seitdem aufmerksamer in der Bahn, mustere meine Mitmenschen genauer. Laute Knalle lassen mich durchaus zusammenzucken und zuviele Martinshörner auf einmal beunruhigen mich sehr. Die Welt um uns herum verändert sich sehr rasant und leider nicht zum Guten. Die deutsche Sicherheitsblase bekommt Dellen und kleine Löcher. Und das Ganze wird noch garniert von stumpfen Stereotypen und Vorurteilen, kaum zu glauben, wie viele Menschen nach den Ereignisse im OEZ den Bogen zu Flüchtlingen schlagen können – erschütternd!

Die Länder um uns herum verändern sich, die Gewalt und Ungerechtigkeit kämpft sich nach oben. In was für eine Welt wachsen unsere Kinder da hinein? Meine unbeschwerte Kindheit und Jugend wird es nicht mehr geben für meinen Sohn und seine Freunde.

Stellt euch vor es ist Krieg und keiner geht hin. Berthold Brecht, wenn er es auch nicht wirklich so meinte.

Sollte aber der Fokus nicht darauf ausgerichtet  sein, unsere Welt endlich komplett vor Hunger und Kriegen zu befreien? Ein Ziel das einmal mehr unerreichbar scheint. Die einzelnen Länder kämpfen nun wieder für sich und gegen sich anstatt zusammen zu rücken und sich zu stützen.

Wir haben unseren Weg gewählt – Wehmut besteht dennoch

Das ist meine Erkenntnis nach 4 Wochen in Deutschland mit wieder regelmäßiger Nachrichten lesen und mehr am Weltgeschehen teilnehmen als ich es in unserer Wahlheimat Pai getan habe. Mir ist nun bewusster denn je, dass es wichtig ist immer wieder zu entscheiden in welcher Art und Weise wir unser Leben leben wollen.

Mit leichtem Gepäck und der Möglichkeit den Ort schnell zu wechseln erscheint mir als durchaus sinnvoll. Aber auch an einem Ort in dem die Zeit ein wenig langsamer läuft und das Miteinander noch im Vordergrund steht, ein Ort in dem die Menschen Zeit haben für ihre Kinder und füreinander. Ein Ort in dem viele Nationen und Religionen friedlich miteinander leben, der es einem verzeiht, wenn man nicht die Landessprache spricht und sich mit allen üblichen Gepflogenheiten auskennt, weil man eine wichtige und alles entscheidende Gemeinsamkeit hat, man ist Mensch und das ist schon genug.

Der Abschied aus unserem Leben hier in Deutschland fällt mir persönlich inzwischen noch ein Stück leichter, denn vieles ist anders als ich es mir wünsche und die Zukunft ist ungewiss. Doch es ist meine Heimat und darum macht mich all das Erwähnte traurig und bereitet mir Sorgen.

Was können wir jetzt tun? Ich sage, lasst uns alle einen Gang zurückschalten, konzentrieren wir uns wieder auf das Wesentliche und halten unsere Liebsten zusammen. Aber lasst uns den Kreis jederzeit öffnen für neue Lieben, lassen wir unsere Kinder zu starken und gerechten Menschen heranwachsen, getragen von ihren Familien werden sie sich der Welt stellen können und sie gemeinsam mit uns wieder in die richtige Bahn bringen. “Gebt den Kindern die Macht” – aber entzieht euch nicht der Verantwortung.

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